Bildungspolitik

Bewegte Zeiten für die landwirtschaftliche Ausbildung

In Niedersachsen sorgt sich das Landvolk um die Zukunft der Berufsfachschule Agrarwirtschaft, denn das Kultusministerium will die einjährigen Berufsfachschulen umstellen. Auf Bundesebene sondiert der Deutsche Bauernverband weiterhin intensiv die geplante komplexe Novellierung der Ausbildungsordnung im Beruf Landwirt/in. In puncto Weiterbildung machen sich im „20. Studienkurs Niedersachsen“ erneut zwölf junge Menschen fit fürs landwirtschaftliche Ehrenamt. 

Martin Roberg

Vorsitzender Ausschuss Bildung

„Die geplante Umstellung der Berufsfachschule geht am Bedarf der Landwirtschaft völlig vorbei. Es droht der Verlust der Anerkennung der BFS Agrar als erstes Ausbildungsjahr. Dadurch würde die landwirtschaftliche Ausbildung sehr erschwert. Das darf nicht passieren.“

Kommt die Berufsfachschule Agrarwirtschaft unter die Räder? 

Bisher besuchen rund 75 % der Schülerinnen und Schüler mit Haupt-, Real- oder Oberschulabschluss und Berufswunsch Landwirt/in die einjährige Berufsfachschule Agrarwirtschaft (BFS Agrar). Auf diesem Weg erlangen sie ihre berufliche Grundausbildung. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) erkennt die BFS Agrar in der Regel als erstes Ausbildungsjahr an. Daher geht es für die Schüler direkt nach Abschluss der BFS Agrar mit dem zweiten Ausbildungsjahr auf einem Ausbildungsbetrieb weiter. Das Modell ist eine Alternative zum ersten betrieblichen Ausbildungsjahr, hat eine lange Tradition und ist nach Ansicht aller Beteiligten äußerst erfolgreich. Beleg dafür ist die hohe Übergangsrate von rund 90 %. Das heißt, dass fast alle Schüler der BFS Agrar mit Berufswunsch Landwirt/in anschließend in das zweite Ausbildungsjahr im Beruf Landwirt/in übergehen. In den meisten anderen Branchen haben die Schüler auch nach Abschluss einer BFS keinen klaren Berufswunsch und gehen kaum in eine entsprechende duale Ausbildung über. In der Landwirtschaft ist die Situation völlig anders, weil sich der klare Berufswunsch bei Kindern und Jugendlichen über Jahre durch eigenes Erleben bei der Mithilfe auf den landwirtschaftlichen Betrieben von Eltern, Verwandten oder Nachbarn entwickelt. 

Das Kultusministerium will die Berufsfachschulen aller Fachrichtungen umstellen, um anschließend mehr Schüler in eine duale Ausbildung zu bringen. Was für andere Berufe sinnvoll sein kann, wäre für die landwirtschaftliche Ausbildung eine enorme Erschwernis und völlig kontraproduktiv. Denn die Umstellung auf die geplante „BFS dual“ sieht vor, dass alle Schüler zu Beginn des Schuljahres unabhängig von Fachrichtung und Profil gemeinsam in einer Bündelschule starten. Die Fachrichtung Agrarwirtschaft gehört zum Profil „Gesundheit und Ernährung“; daneben gibt es die Profile „Wirtschaft“ und „Technik“. Bis zu den Herbstferien sollen die Schüler alle drei Profile kennenlernen sowie Beratung und Coaching in Sachen Berufsorientierung erhalten. Danach ist die Beschulung in einem der drei Profile geplant und erst mit Beginn des zweiten Halbjahrs die Beschulung in der jeweiligen Fachrichtung. Bisher erfolgt die fachliche Beschulung im gesamten Schuljahr. 

Das Kultusministerium erwägt, dass die fachliche Beschulung nach der Umstellung gegebenenfalls bereits ab den Herbstferien erfolgen könnte. Voraussetzungen wären jedoch ein Ausbildungsvertrag, eine ausreichende Klassenstärke sowie die gesicherte Anerkennung des ersten Ausbildungsjahres durch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK). Die LWK kann die Anerkennung jedoch nicht auf blauen Dunst vornehmen, sondern nur, wenn die entsprechenden Inhalte vermittelt werden. Dies dürfte angesichts des verkürzten Zeitfensters für den fachlichen Unterricht fraglich sein. 

Der Wegfall der Anerkennung als erstes Ausbildungsjahr hätte zur Folge, dass die Ausbildung unter Einbeziehung der Berufsfachschule länger dauert, nämlich vier anstatt bisher drei Jahre. Die angehenden Auszubildenden würden darauf reagieren, indem sie auf die „BFS dual“ verzichten und stattdessen bereits das erste Ausbildungsjahr betrieblich absolvieren wollen. Dafür gibt es jedoch zu wenig Ausbildungsplätze. Zudem lehnen die meisten Ausbilder diese Variante ab, weil die Auszubildenden nur an drei Wochentagen im Betrieb und an zwei Wochentagen in der Berufsschule sind. Weitere Nachteile dieser Variante wären, dass die Auszubildenden zu Beginn der betrieblichen Ausbildung ein Jahr jünger und damit weniger ausbildungsreif wären und dass sie in der Regel das Mindestalter für den T-Führerschein noch nicht erreicht haben.

Das Landvolk Niedersachsen setzt sich intensiv für den Erhalt der BFS Agrar in bisheriger Form ein und ist unter anderem in regem Austausch mit dem Kultusministerium. Ziel ist, für die Berufsschulen zumindest eine Ausnahmeregelung zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, künftig wahlweise die BFS Agrar in ihrer bisherigen Form durchzuführen. Sonst drohen rückläufige Ausbildungszahlen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel.

Novellierung der Ausbildungsordnung 

Die Sondierung der geplanten Novellierung der Ausbildungsordnung im Beruf Landwirt/in ist weiterhin eine der zentralen Aufgaben, mit der sich das Landvolk Niedersachsen befasst. Nach ersten Sondierungen des komplexen Themas in den Landesbauernverbänden trugen Vertreterinnen und Vertreter der Landesbauernverbände und der zuständigen Stellen im Juni 2023 ihre Vorstellungen bei einem zweitägigen DBV-Workshop in Hessen zusammen. Eine große Herausforderung ist einerseits, eine Ausbildungsordnung zu formulieren, die die unterschiedlichen Strukturen und regionalen Besonderheiten der Landwirtschaft in den verschiedenen Bundesländern berücksichtigt. Andererseits gibt es detaillierte Vorgaben von Seiten des Bundesinstituts für Berufliche Bildung, die für alle Ausbildungsordnungen gelten und zwingend zu beachten sind. 

Für die Novellierung von Ausbildungsordnungen sind grundsätzlich die Sozialpartner zuständig. Sobald die Sondierung auf Arbeitgeberseite, deren Mandat der Deutsche Bauernverband (DBV) ausübt, abgeschlossen ist, erfolgt als nächstes die Abstimmung mit der Arbeitnehmerseite. Erst wenn sich DBV und Gewerkschaft einig sind (Konsensprinzip), können sie beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein offizielles Neuordnungsverfahren beantragen. 

Qualifizierung fürs Ehrenamt

Der 20. Studienkurs ist in vollem Gange. Kursleiter Berndt Tietjen begleitet zwölf motivierte junge Landwirtinnen und Landwirte, die sich für ihr zukünftiges landwirtschaftliches Engagement fit machen wollen. Dabei unterstützt ihn das Landvolk Niedersachsen. Der Studienkurs ermöglicht persönliche Entwicklung und bietet intensive Lernerlebnisse. Verteilt auf das Winterhalbjahr erleben die Kursteilnehmenden einen bunten Mix aus Trainings, Diskussionen mit hochrangigen Ehrenamtlichen sowie Exkursionen nach Berlin, Bayern und Brüssel. Ein wichtiger Programmpunkt ist ferner die Begegnung mit Engagierten aus dem Großstadtmilieu: So ist der Studienkurs regelmäßig zu Gast bei Greenpeace in Hamburg und seit vorigem Jahr bei der Tageszeitung „taz“ in Berlin. 

Auftakt des 20. Studienkurses im September 2023 mit einem Smalltalk-Training mit Dr. Susanne Gewe aus Hamburg im Lehr- und Versuchsgut der Tierärztlichen Hochschule Hannover in Ruthe.
Verteilt auf das Winterhalbjahr erleben die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer einen bunten Mix aus Trainings, Diskussionen mit hochrangigen Ehrenamtlichen sowie Exkursionen nach Berlin, Bayern und Brüssel.

Artikel von

Christine Kolle
Referentin für Berufliche Bildung und Bildungspolitik / Junglandwirte